Die Juche-Ideologie -

Kittmasse eines totalitären Regimes

 

 Kim Il-Sung   Kim Jong-Il  Kim Jong Un

 

Wer sich mit der Politik Nordkoreas ernsthaft beschäftigen will, kommt um die Juche-Ideologie (gesprochen: Dschu-dsche) nicht herum. Ihre Entstehung ist das Werk eines Mannes, der wie nur wenige andere in der Geschichte der Menschheit für sich beanspruchen kann, ein Land praktisch ganz nach seinem Willen gestaltet zu haben: der Staatsgründer Kim Il-Sung. Doch um auch nur ein annäherndes Verständnis für diese Lehre zu gewinnen, sind grundrissartige Kenntnisse der koreanischen Geschichte unerlässlich.

Das alte Korea

Das Kaiserreich Korea

Die Teilung Koreas

Die Juche-Ideologie

 


Das alte Korea

Die Einfluss fremder Mächte zieht sich wie ein roter Faden durch die koreanische Halbinsel. Wei Man, ein aus eigener Initiative handelnder chinesischer General, eroberte gegen 194 v. Chr. Go-Joseon, das erste auf der koreanischen Halbinsel existierende Königreich, und erklärte Wanggeomseong (das heutige Pjöngyang) zur Hauptstadt des Staates und sich selbst zum neuen König. Das Königreich selbst wurde fortan Wiman-Joseon genannt und kooperierte mit der chinesischen Han-Dynastie. Doch diese Bindung war nicht von langer Dauer und die chinesischen Herrscher bemächtigten sich alsbald Wiman-Joseon.

Wiman-Joseon war jedoch geographisch keineswegs identisch mit dem heutigen Korea. Im Süden bestand zu jener Zeit nämlich das Reich Jin, von dem jedoch nur wenig überliefert ist, da keinerlei schriftliche Aufzeichnungen aus dieser Zeit vorliegen. Schrifttum und die religiösen Lehren des Konfuzianismus und Buddhismus gelangten vorerst nur in den Norden von Korea.

China konnte seine koreanischen Vasallenstaaten nur kurzfristig aufrechterhalten. Im Norden etablierte sich der Staat Buyeo, als dessen nördlicher Nachbar sich wiederum das Gogruyeo-Reich herausbildete, das vorerst unter starkem Einfluss von Buyeo stand, sich Buyeo jedoch seinerseits bald überlegen zeigte und dieses gar annektierte.

Aus der Konkursmasse des südlichen Jin-Reiches bildete sich die Samhan-Konföderation, der anschließend Paekche und Silla entsprangen. Ungefähr auf diese Zeit lassen sich erste Kontakte zum später so verhassten Nachbarn Japan datieren, denn der erste dauerhafte japanische Außenposten, der die Bezeichnung Mimana trug, ist für diese Periode nachweisbar. 

 

Eine erste Blütezeit: das Silla-Reich

Silla, dessen Anfang auf das Jahr 57 v. Chr. datiert und das erst 935 n. Chr. ein unrühmliches Ende finden sollte, steht symbolhaft für ein geeintes Korea. Während der ersten Periode (57 v. Chr. - 654 n. Chr.) entwickelte sich aus einem Volksstamm im Südosten Koreas ein Reich. In der zweiten Periode (645 - 935) dehnte sich die Herrschaft auf die gesamte koreanische Halbinsel aus.

Goryeo sah sich in der Nachfolge des zerfallenen Silla. Fast 400 Jahre, bis zum Jahr 1392, repräsentierte es Korea. In der Zwischenzeit trat das Volk der Mongolen auf die Bühne der Weltgeschichte, das die koreanische Halbinsel nach langen Jahren des Kampfes 1259 unterwarf. Als in China aber die Yuan-Dynastie im 14. Jahrhundert ihrem Niedergang entgegensteuerte, gelang es 1356 das Mongolenjoch abzuschütteln. Diese Zeit voller Machtkämpfe nutzte General Yi Song-gye zur Begründung der Joseon-Dynastie.

 

Joseon

1394 wurde die Hauptstadt nach Seoul verlegt und der Konfuzianismus als offizielle Religion propagiert. Während dieser Periode erfand König Sejong der Große 1443 das koreanische Alphabet. In den sechs Jahren zwischen 1592 und 1598 wurde Korea mehrfach von Japan auf Geheiß des dortigen Herrschers Hideyoshi attackiert. Die daraus resultierenden Verwüsten lassen sich durchaus mit denen des Korea-Kriegs (1950-1953) vergleichen. Doch Koreas legendärer Kriegsheld, Admiral Yi Sunsin, tat sich mit einer militärischen Innovation hervor, die bis dahin ihresgleichen suchte: das erste gepanzerte Kriegsschiff der Geschichte, eine Galeere, der wegen ihres bronzegepanzerten Oberdecks sehr bald legendärer Ruhm sicher war. 

Lange währte die Freude über die soeben wiedererlangte Unabhängigkeit jedoch nicht. Schon 1627 musste sich Korea dem Diktat der chinesischen Mandschu-Dynastie stellen. Katholische Missionare, die ebenfalls von China aus ihren Weg antraten, hatten es in diesem Klima alles andere als einfach. Der neue Glaube wurde brutal verfolgt. Eine Normalisierung stellte sich erst 1886 ein und drei Jahre darauf wurde in Korea Religionsfreiheit gewährt. Schier unglaublich, dass dem heute schulmeisterlich kommunistischen Pjöngyang wegen seiner vielen Kirchen und einer 300.000 Gläubige umfassenden Gemeinde der Ruf eines "Jerusalems des Ostens" vorauseilte. Wenige Jahre zuvor (1866) drang das amerikanische Handelsschiff General Sherman über den Taedong-Fluss nach Korea ein und entführte den Gouverneur von Pjöngyang. Da entschied der koreanische König, dass das Schiff das koreanische Hoheitsgebiet unverzüglich zu verlassen habe.

Dieser Vorfall blieb nicht ohne Folgen. 1871 kam es erneut zu einem Kontakt zu den Vereinigten Staaten und fünf Jahre darauf erzwang das im Zuge der Meiji - Restauration erstarkte Japan von den Koreanern Handelsverträge. Diesen Einfluss baute das Insel-Kaiserreich in der Folge seit 1895 (nach dem siegreich beendeten Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg) weiter aus. 1897 wurde von König Gojong ein Groß-Korea ausgerufen. Die Joseon-Dynastie war nach über 600 Jahren am Ende.

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Das Kaiserreich Korea

Korea blieb militärisch und wirtschaftlich schwach. Mit russischer Hilfe versucht Gojong dem wachsenden japanischen Einfluss Einhalt zu gebieten. Russland erkannte seine Chance und mischte sich verstärkt in das politische Tagesgeschäft und die wirtschaftlichen Angelegenheiten  ein. Russische, aber auch japanische und US-amerikanische Unternehmen begannen mit der Ausbeutung der beträchtlichen Bodenschätze. Die divergierenden Interessenlagen dieser beiden Großmächte - angeheizt durch die weltpolitisch unruhige Zeit des Imperialismus - sollte natürlich nicht ohne Folgen für deren beiderseitiges Verhältnis bleiben.

In der Nacht zum 9. Februar 1904 griff die japanische Marine den unter russischer Regie stehenden chinesische Handelsstützpunkt Port Arthur (heute: Dalian) an. Erst nach mehr als eineinhalb Jahren, am 5. September 1905, schwiegen die Waffen. Ein militärisch, politisch und wirtschaftlich siegtrunkenes Japan blickte auf ein mehr und mehr zum Siechtum verurteiltes Russland. Von China ganz zu schweigen. Die nordöstliche chinesische Provinz Mandschurei wurde nach und nach von Japan kolonisiert und Korea zum japanischen Protektorat. König Gojong war nur noch auf dem Papier Souverän über sein Land und musste 1907 abdanken, nachdem er seine Unterschrift unter das koreanisch-japanische Abkommen verweigerte. Sein Sohn Sunjong trat die Nachfolge an.

Japanische Beamte übernahmen die Verwaltung und Gerichte und führten analog dazu japanische Verwaltungsregeln ein, das koreanische Heer wurde entwaffnet und aufgelöst. Doch es formierte sich Widerstand gegen die fremden Besatzer. Ihren stärksten Ausdruck fand dieser in einer Partisanenarmee, die Anschläge auf Eisenbahnen und Telegrafenstationen verübte und auch die japanische Kolonialarmee von derartigen Attacken nicht verschonte. Letztlich mussten die Partisanen aber kleinbei geben und nach Gando, ein Gebiet nördlich des Yalu-Flusses ausweichen, von wo aus sie bis 1915 ihren Widerstand fortsetzten.

Ein bedeutsames Datum ist der 26. Oktober 1909. An jenem Tag fiel der japanische Fürst Itō Hirobumi auf einer Reise in der Mandschurei in Harbin einem von dem Unabhängigkeitskämpfer An Chung-gun verübten Attentat zum Opfer. Diese Tat nutzte Japan zur endgültigen Annexion Koreas und zwang  König Sunjong zur Abdankung.

Jahre darauf, am 1. März 1919, kam es auf Grund der repressiven Kolonialpolitik landesweit zu Demonstrationen. Dieses Datum verleiht den Geschehnissen bis heute die Bezeichnung Bewegung des ersten März. Doch der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen; offiziell waren 553 Tote und 185 Verletzte zu beklagen. Bereits einen Monat später gründet sich in Shanghai unter der maßgeblichen Mitwirkung des späteren südkoreanischen Präsidenten Syngman Rhee eine Exilregierung. Trotz allem entschlossen sich die japanischen Kolonialherren zu einer Liberalisierung ihrer Korea-Politik . Admiral Saito bekannte sich zum Schutz der koreanischen Kultur und erwies sich als Förderer der Volkswohlfahrt. Zeitweilig erlebte die koreanische Sprache ein Comeback im schulischen Unterricht und wurden Koreaner an der Verwaltung ihres Landes beteiligt. Darüber hinaus ersetzten zivile Ordnungshüter die japanische Militärpolizei und der Pressefreiheit wurde mehr Raum einberaumt. Doch allen Erleichterungen zum Trotz regten sich immer wieder Proteste: 1929 gingen Studenten auf die Straße, um durchzusetzen, dass koreanische Geschichte wieder auf den Stundenplan an den Schulen gesetzt wird.

Am 7. Juli 1937 gab der Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke, bei dem sich japanische Besatzungssoldaten und chinesische Truppen Feuergefechte lieferten, den Auftakt zum Zweiten Sino-Japanischen Krieg, der viele zuvor gewährte Liberalisierungen wieder rückgängig machen sollte. Unter dem Schlagwort Nae-son-il-chae wurde eine Politik der völligen Assimilation propagiert. Generalgouverneur Minami fasste das Vorhaben bei einer Rede im  Jahr 1939 wie folgt zusammen:  „Korea und Japan müssen eins werden in Gestalt, im Geist, im Blut und im Fleisch“; ergo: Ziel ist die völlige Gleichheit der Koreaner mit den Japanern, jede Diskriminierung (auch in den Reihen des Militärs) sei abgeschafft.  Dieser Ankündigungen folgten alsbald Taten: ab 1938 war der Gebrauch der koreanischen Sprache auch in privaten Räumlichkeiten untersagt und die Einhaltung dieses Verbots durch ein ausgeklügeltes Spitzelwesen gewährleistet. Von Februar 1940 wurde versucht, koreanische Namen in japanische umzuwandeln. Der spätere südkoreanische Diktator Park Chung-Hee folgte diesen Vorgaben durchaus bereitwillig. Seinen eigenen Namen änderte er als Leutnant der kaiserlichen japanischen Armee in Takaki Masao.

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Die Teilung Koreas

Am 15. August 1945 kapitulierte das vernichtend geschlagene Japan. Wenige Tage zuvor waren die südjapanischen Städte Hiroshima und Nagasaki zum grausigen Schauplatz des bislang einzigen Einsatzes von Atomwaffen geworden. Einer alliierten Vereinbarung gemäß, mussten die japanischen Soldaten der in der nördlichen Zone Koreas (nördlich des 38. Breitengrads) sich den Sowjets, die in der südlichen Zone befindlichen den Amerikanern ergeben. Die Besetzung des Nordens durch die Sowjetunion erfolgte unmittelbar darauf, während die Amerikaner den Südteil erst am 8. September betraten. In den Wochen dazwischen war die südliche Zone von einer koreanischen Volksregierung verwaltet worden. Diese Regierung wurde von den Amerikanern verboten. Die koreanische Exilregierung wurde unter dem Vorwand einer angeblichen "kommunistischen Unterwanderung" nicht anerkannt. Im Gegenzug sahen sich allerdings viele ehemalige japanische Kolonialbeamte nunmehr in Diensten der bis vor kurzen noch so heißblütig bekämpften USA.

 

Die Zementierung der Teilung

Wie in allen anderen von ihr kontrollierten Satellitenstaaten begann die Sowjetunion im Norden mit der Installation einer ihr gefügigen Regierung, wenngleich nicht mit der in den osteuropäischen Staaten vollzogenen Konsequenz und Härte. Eine Landreform brachte die japanischen Großgrundbesitzer um ihr Hab und Gut und  wichtige Industriezweige wurden verstaatlicht. Die Sowjetunion hatte ein gewichtiges Interesse daran, einen in ihrem Interesse handelnden koreanischen Staat aufzubauen, da der Norden als mögliche Ausgangsbasis für einen eventuellen Angriff auf "kapitalistische, westlich orientierte" Länder galt. Dringlichkeit gewann dieses Ansinnen, nachdem sich Japan sehr schnell zu einem Verbündeten der USA entwickelte. Schließlich war die Situation so verfahren, dass sich ab 1947 auf Wunsch der USA die Vereinten Nationen mit der Koreafrage befassen mussten. Die Sowjets fassten dies als Affront auf. Dennoch erreichten die Vereinigten Staaten im November 1947 eine UNO-Resolution, die freie Wahlen, den Abzug sämtlicher ausländischer Truppen und den Aufbau einer UN-Kommission vorsah. Bekanntlich wurde bis heute keine dieser Forderungen realisiert.

Am 10. Mai 1948 ging Syngman Rhee als Sieger der Präsidentschaftswahlen in Südkorea hervor. Drei Monate darauf übernahm er offiziell die Regierungsgeschäfte von der amerikanischen Militärregierung. Der unter sowjetischer Herrschaft stehende Norden konterte diesen Schritt mit der Gründung der Demokratischen Volksrepublik Korea im September 1948, als deren erster Präsident Kim Il-sung sein Amt antrat und dieses bis zu seinem Tod im Juli 1994 ausüben sollte wurde.

Beide Regierungen zeigten sich in den darauf folgenden Jahren unversöhnlich, sahen sich jeweils als die rechtmäßige Regierung Gesamt-Koreas an und beharrten darauf, diesen Anspruch gegebenenfalls auch militärisch durchzusetzen. Der Weg in den Koreakrieg, einen der am längsten andauernden und blutigsten Konflikte im an Tragödien wahrhaftig nicht armen 20. Jahrhundert, war vorgezeichnet.

 

Die Ära Kim Il-Sung (1945 - 1994)

Im Gegensatz zu den später von Stalins Armee kontrollierten Staaten in Ost- und Südosteuropa existierte in Nordkorea nach dem Zweiten Weltkrieg keine einheitliche KP. Eine erste Parteigründung fand zwar schon 1925 statt, doch war diese Gruppe in der Folgezeit so heillos zerstritten, dass sie sich schon1928 auf Weisung der Komintern auflöste. Die sowjetische Besatzungsmacht musste sich also nach Verbündeten umsehen. So besann man sich zunächst den Nationalisten Cho Man-sik, der als starke Persönlichkeit im Norden galt. Doch sehr bald erwiesen sich die Gegensätze zwischen dem Nationalisten auf der einen Seite und der sozialistischen Besatzungsmacht als zu groß.

Am 13. Oktober 1945 wurde das „Nordkoreanische Büro der KP Koreas“ als Sektion der gesamtkoreanischen KP gebildet, zu dessen Vorsitzenden im Dezember Kim Il-sung bestimmt wurde. Doch die anhaltende Bevormundung durch die Sowjetunion gebar sobald neue Konfliktfelder. So kam es zu antikommunistischen Studentenprotesten, die von der roten Besatzungsmacht gewaltsam niedergeschlagen wurden. Kim Il-sung fürchtete in dieser Lage um sein Leben - nicht zu Unrecht, wurden auf ihn und andere nordkoreanische Kommunisten doch terroristische Anschläge organisiert, von denen allerdings jeder sein Ziel verfehlte.

Im Februar 1946 konstituierte sich das Provisorische Volkskomitee, mit Kim Il-sung an der Spitze. Im Anschluss spaltete sich die nordkoreanische Sektion der KP ab und bildete die „Kommunistische Partei Nordkoreas“, die sich am 29. Juli mit der „Neuen Volkspartei“ zur „Partei der Arbeit Nordkoreas“ vereinigte. Erster Generalsekretär wurde ein gewisser Kim Du-bong. Im Süden wurden die Kommunisten von der amerikanischen Besatzungsmacht massiv unter Druck gesetzt, so dass führende Parteimitglieder in den Norden flohen, von wo aus die Untergrundarbeit fortgesetzt wurde. Im Juni 1949 wurde eine „Nationale Einheitsfront“ gebildet.

Die wirtschaftliche Umorientierung des Landes wurde sofort in Angriff genommen. Im Frühjahr wurde eine Bodenreform durchgeführt und im Spätsommer begann die Verstaatlichung der Industriebetriebe. Anfang November fanden Wahlen zu den „Volkskomitees“, den lokalen Verwaltungsorganen, statt. Dabei bestand für den Wähler lediglich die Option für oder gegen die Einheitsfront zu stimmen. Offiziell entfielen 97 % der abgegebenen Stimmen auf die Einheitsfront. Der 1. Kongress der Volkskomitees bestimmte am 17. Februar 1947 die erste nordkoreanische Regierung unter Kim Il-sung und wählte das „Volkskomitee Nordkoreas“, ein Scheinparlament.

Eine parallele Entwicklung zur Volkswirtschaft nahm der Polizei- und Militärapparat. Schon 1946 startete der Aufbau einer nordkoreanischen Armee unter sowjetischem Kommando. Sie entwickelte sich zur heute fünftgrößten Streitmacht der Welt. In der Tat wurde ein wahrhaft forscher Aufbau so weit vorangetrieben, dass sie vom Süden als erhebliches Bedrohungspotenzial gesehen wurde.

Einen wichtigen Schritt für die Gründung eines eigenständigen Nordkorea stellte die beginnende Ausarbeitung einer Verfassung ab Spätherbst 1947 dar. Die Verfassung wurde in Moskau redigiert und schließlich vom sowjetischen Gewaltherrscher Josef Stalin genehmigt. Am 25. August 1948 fanden Wahlen zur Obersten Volksversammlung statt, die am 8. September die soeben vorgestellte Verfassung bestätigte. Tags darauf wurde die Demokratische Volksrepublik Korea proklamiert. Nur zehn Tage vorher war in Seoul die Republik Korea ausgerufen worden. Beide Staaten erkannten einander nicht an und sahen sich jeweils als den einzig rechtmäßigen koreanischen Staat an.

 

Die Konsolidierung der Alleinherrschaft

Kim Il-Sung musste sich Sorgen um seinen Alleinherrschaftsanspruch machen. Innerhalb der Partei der Arbeit Koreas befehdeten sich verschiedene Fraktionen. Kim wollte daher zunächst die Gruppe der der Volksrepublik China zugeneigten Genossen (die so genannte „Yan'an-Fraktion“) aus der Partei herausdrängen. Doch hatte er dabei die Reaktionen Chinas und der UdSSR unterschätzt. So konnte er durch zeitweilige Zugeständnisse an die gegnerischen Fraktionen seine Position halten. Und Vielleicht waren es eben diese Vorkommnisse einer realen Bedrohung von außen, die ausschlaggebend für eine Intensivierung der isolationistischen Bestrebungen Kims in den kommenden Jahren sein sollten. So wurden die peking- und moskauhörigen Funktionäre ihrer Ämter enthoben. Mittels solcher „Säuberungen“ in den Jahren von 1957 bis 1962 wurde Kims Position zementiert, so dass er Anfang der 60er Jahre unangefochten im Sattel saß. Dabei bleibt jedoch anzumerken, dass diese Säuberungen im Gegensatz zu jenen der KPdSU relativ unblutig verliefen.

Trotzdem fielen zahlreiche Kampfgenossen aus alten Tagen (auch in Schauprozessen) dem Wüten Kim Il-Sungs zum Opfer. Die dabei erhobenen Anschuldigungen entbehrten dabei in aller Regel jeder Grundlage. Am 15. Dezember 1955 wurde Außenminister Pak Hon-yong unter dem Vorwurf, ein amerikanischer Spion zu sein zum Tode verurteilt.  Mu Chong, Ex-General der chinesischen Armee und im Koreakrieg Stabschef im Generalhauptquartier der vereinigten Streitkräfte von China und Nordkorea, wurde als Vertreter der Yan'an-Gruppe hingerichtet. 1958 wurden diese Säuberungen auf sowjetfreundliche Kader, Sympathisanten von Chruschtschows Tauwetterpolitik und mit China verbundene Funktionäre, wie Kim Du-bong, ausgedehnt.

Mitte der 1960er Jahre begann ein höchst bizarrer Personenkult um Kim Il Sung in den nordkoreanischen Medien, wo er fortan als „Großer Führer“ tituliert wurde. Die Bezeichnung Führer war bis dato in der internationalen kommunistischen Bewegung ausschließlich Lenin und Stalin vorbehalten.

In den 50er Jahren kam es zum Zerwürfnis zwischen KPdSU-Generalsekretär Nikita Chruschtschow und Chinas KP-Chef Mao Zedong. Beide Parteien - sie hatten ein Millionenheer von Mitgliedern im Gefolge - stritten sich um den Führungsanspruch innerhalb des kommunistischen Lagers. Kim Il-Sung versuchte in dieser Lage, es möglichst beiden recht zu machen und ergriff zunächst für keine Seite wirklich Partei. Man brauchte schließlich Verbündete, mindestens eben einen. Doch ab 1962 solidarisierte sich die nordkoreanische KP mit Mao Zedong, dessen Vorstellungen vom Kommunismus für Pjöngjangs Genossen wohl offensichtlich authentischer erschienen als Chruschtschows vergleichsweise pragmatische Regierungsführung. Das stärkste Motiv für die Abwendung von der Sowjetunion war deren einsichtiges Verhalten während der Kubakrise im Oktober desselben Jahres. Doch rasch erkannte man, dass es ganz ohne Moskauer Hilfe nicht gehen konnte (schon gar nicht wirtschaftlich) und so kam es 1965 wieder zur Normalisierung der Beziehungen.

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Die Juche-Ideologie

So bringt schon der Terminus Juche Kims ganzes Bestreben zum Ausdruck. Juche heißt ins Deutsche transferiert nichts anderes als "eigenständig" bzw. "autark". Nach Jahrhunderten der Fremdherrschaft wollte man eine Rückkehr zu jeder Form von Vasallentum verständlicherweise vermeiden und die Eigenständigkeit der Nation sollte dementsprechend auch ideologisch unterfüttert werden. So war es auch kein Wunder, dass man sich darauf besann, die eigene Nation über das Wesen des in allen anderen sozialistischen Staaten dominierenden Marxismus-Leninismus zu stellen. Ein ähnlich national-kommunistisch ausgerichtetes Staatswesen sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt - um einen vielleicht weit hergeholten Vergleich zu wagen - bestenfalls noch im Rumänien des Nicolae Ceausescu etablieren. Auch andere kommunistische Führer, die sich Moskaus Führungsanspruch (erfolgreich) zu entziehen versuchten, hatten eine solche Rangfolge nicht im Sinn, sondern beriefen sich unisono immer auf die "Internationalität" des Kommunismus.

Bereits in den Vierziger Jahren kritisierte Kim Il-Sung blinde Gefolgschaft. Und auf dem Höhepunkt des sowjetisch-chinesischen Ideologiekonflikts gelang ihm, wie schon angesprochen, immerhin ein erfolgreiches Lavieren zwischen diesen Fronten. Dafür punktete er zumindest Zuhause; man feierte ihn als Lenin der Gegenwart. Ihm wurde als Einzigem zugestanden, die vorangegangenen Fehler beim Aufbau kommunistischer Strukturen erfolgreich vermieden zu haben und in Nordkorea das Paradies des Sozialismus in Vollkommenheit aufzubauen. "Paradies" heißt übrigens heute ein Stadtteil von Pjöngjang. 

Als Josef Stalin im März 1953 verstarb, führte dies zu einem allmählichen Abrücken von dessen totalitären Herrschaftsmodell. Bei Kim schrillten die Alarmglocken: er sah seine Ein-Mann-Diktatur mit einem Male bedroht, da der Einfluss der Sowjetunion auf Nordkorea zu jener Zeit noch beträchtlich war. Juche entwickelte sich somit auch zu einem Instrument der Herrschaftssicherung. 1974 wurde Juche offiziell in Kim Il-sungismus umbenannt und als „neues und einzigartiges gedankliches, theoretisches und methodologisches System, das die in einer Ära der Eigenständigkeit entstehenden Bedürfnisse reflektiert“ zu verstehen gegeben. Der Kim Il-sungismus grenzte sich ausdrücklich vom Marxismus-Leninismus ab. In den späteren Jahren gestand man ihm gar eine Überlegenheit gegenüber dem herkömmlichen Marxismus zu. Aber auch die Veränderungen im politischen Gefüge Chinas nach Maos Tod 1976, ließen ihn immer wieder auf Juche zurückgreifen. Oder ist es etwa ein Zufall, dass der Marxismus-Leninismus bereits 1977 als offizielle Weltanschauung aus der Verfassung gestrichen wurde und Juche fortan diesen Platz einnahm?

Die Anforderungen an Juche haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Zu Beginn reflektierte Juche die philosophische Position, wonach „der Mensch der Herr aller Dinge ist und alles für sich selbst entscheiden muss“. Während der Mensch als soziales und historisches Subjekt gesehen wird, das seine Unabhängigkeit, Kreativität und sein Bewusstsein einsetzt, um sein Schicksal zu bestimmen, sah man dieses Diktum jedoch in Abhängigkeit von einer „angemessenen Lenkung eines Kommandeurs“. Dies ist das Konzept des revolutionären Kommandeurs innerhalb des Juche-Gedankengebäudes. Im Jahr 1986 wurde das Konzept eines „soziopolitischen Organismus“ hinzuaddiert. Dieses Konzept geht von der Prämisse aus, dass „das Subjekt der Revolution nichts anderes ist als der organische Sozialkörper, der aus dem Kommandeur, der Partei und dem Volk besteht“. Dieser ist als „soziopolitischer Organismus, in dem alle drei seiner Komponenten dasselbe Geschick teilen“ zu betrachten .

Nach Kim Il-Sungs Tod im Juli 1994 verblasste auch die Strahlkraft von dessen ideologischem "Kind". Eine kleine Reminiszenz leistet sich auch Kim Jong-Il, sein nicht minder diktatorisch regierender Sohn, der auf seine künftige Aufgabe bereits ab Mitte der siebziger Jahre vorbereitet worden war. Er führte 2003 einen Juche-Kalender ein, der sich vom gregorianischen Kalenderwerk dadurch unterscheidet, dass mit Kim Il-Sungs Geburtsjahr 1912 die Jahreszählung beginnt. 1912 ist somit "Juche 1".

Kim Jong-Il hat sich einmal dahingehend geäußert, dass laut Juche  der Mensch nun einmal der Herr der Welt sei. Über dem Menschen stehe kein weiteres Wesen, weswegen dieser auch für sich beanspruchen könne, als Gestalter der Welt aufzutreten. 

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